Donnerstagnachmittag: Vor der Bühne 1 auf dem Luisenplatz wird's förmlich. Der Stadtrat läuft auf, dazu etliche Ehrengäste von Rang und Namen. Oberbürgermeister Nikolaus Roth eröffnet das 35. Deichstadtfest und lädt dann zum gemeinsamen Rundgang ein. Dabei sind jene, um die es eigentlich geht, ganz hautnah zu erleben: die Bürger, von denen viele einfach im großen Tross der Ehrengäste mitschwimmen. Und nicht zuletzt ist dieser Rundgang eine schöne Möglichkeit, einmal fast privat und ungezwungen über Parteigrenzen hinweg miteinander das zu tun, wofür das Deichstadtfest in erster Linie steht: feiern!
Freitagabend, Festmeile: Heute ist der Tag der toten Künstler. Auf dem Luisenplatz trauen die Menschen erst ihren Ohren, dann ihren Augen kaum. Freddie Mercury, Frontmann der Band Queen, ist da und singt, als sei er nie weg gewesen. Vom Überbiss bis runter zum Apfelpo verkörpert der Düsseldorfer Harry Rose mit der Q-Revival-Band den Queen-Chef in Bestform und erzeugt Gänsehaut – nicht nur bei den vielen eingefleischten Fans vor der Bühne. Am anderen Ende der Festmeile kämpfen zwei Bands um die Lautsprecherhoheit, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Die Dire Strats covern professionell die britische Rockformation Dire Straits – bis hin zu den Gitarreneinlagen von Mark Knopfler –, während auf Bühne 4 The Peteles mit Frontmann Peter Seel in bester Beatles-Manier die 60er-Jahre heraufbeschwören.
Samstagmittag: Auf dem Deichstadtfest herrscht buntes Treiben. Es wird auf-, ab- und umgebaut, Vorräte werden aufgefüllt, Großreinemachen ist angesagt. Viele Stände haben schon geöffnet und verpflegen die Besucher, die einen Stadtbummel mit neugierigen Blicken auf die Festmeile verbinden wollen. Drehorgel-Otto steuert Melodien aus seinem Wunderkasten bei, dann kommt Efke Anders mit seinen Musikern um die Ecke marschiert. Um die Holländer herum bilden sich kleine Menschentrauben, alle wippen begeistert mit und schwingen ihre vollen Einkaufstüten im Takt. Es dauert nicht lange, da geht es auch auf den Bühnen rund. Lateinamerikanische Rhythmen locken die Menschen vor Bühne 1. Das Sport- und Gesundheitscenter Medicon animiert hier die Zuschauer zum Mitmachen beim neuesten Fitnesstrend: Zumba! Eine Bühne weiter tanzt der Latein-Nachwuchs des TSC Neuwied. Das Deichstadtfest läuft langsam zur Höchstform auf.
Samstagabend, vor Bühne 2: Hier trifft sich die Jugend zur Musik von Tooltime. Die Coverband hat sich voll aufs junge Publikum eingestellt und spielt alles, was die Charts derzeit hergeben. Die Straßencafés platzen aus allen Nähten, die Stehtische sind eng belagert, am Cocktailstand gibt es Wartezeiten. Bis um Mitternacht wird es hier nicht leerer, dann hört die Musik auf, und die jungen Leute brechen auf zur nächsten Party. Zurück bleibt, als einziger Wermutstropfen eines tollen Abends, ein riesiger Berg an Abfall: Knöchelhoch türmen sich Scherben auf der nun leeren Fläche vor der Bühne, vermischt mit achtlos fallen gelassenem Müll und Erbrochenem.
Sonntagnachmittag, Luisenplatz: Munteres Treiben herrscht vor allen Bühnen, und diesmal sind es vor allem Familien, die gemeinsam übers Deichstadtfest bummeln. Summi, die Sommerspaß-Biene der Rhein-Zeitung, hat sich ins Gewühl gestürzt und verteilt Gummibärchen. Die Walk Acts tauchen auf und verschwinden wieder, auf den Bühnen läuft ein familienfreundliches Programm, im Europadorf regieren britischer Lifestyle und holländischer Frohsinn, alle sind irgendwie entschleunigt. Es ist die Ruhe vor dem letzten Sturm.
Und der beginnt am Sonntagabend mit zwei Bands, die in der Region einen fetten Namen haben: Still Collins spricht Genesis-Fans an, Sidewalk rockt sich in bester Covermanier durch die Jahrzehnte. Sie schaffen es zusammen mit Swing-Meister Joe Wulf und der Akustik-Rock-Formation Ohne Filter, die Festmeile ein letztes Mal voll zu bekommen.
Und wer den allerletzten Kick sucht, der ergattert noch schnell einen Platz in der SWN-Gondel, die aus 50 Metern einen tollen Anblick bietet: Wie Ameisen wuselt es auf der Festmeile zwischen Marktstraße und Media Markt. Das Deichstadtfest geht gut gelaunt zu Ende. Andrea Niebergall