Eigentlich hätte sie immer noch rund vier Wochen Zeit. Die „Frist" läuft erst am 12. August ab. Doch die Feldkirchnerin Bettina Barnes ist schon lange fertig. „Als Jo mir sein Projekt vorstellte, war der Funken für das Thema sofort da, und mir war klar: Da mach ich mit", schwärmt sie und berichtet, dass ihr erstes Bild nach lediglich drei Tagen im Kopf feststand. „Ich war von der Geschichte so gefesselt, wie ich schon lange nicht mehr von etwas gefesselt war", sagt sie.
Doch worum geht's? Jo, das ist Jo Stein. Der Künstler, der ebenfalls aus Feldkirchen kommt, allerdings seit sechs Jahren in Düren lebt, hatte die Idee für ein Projekt mit dem Titel „Welche Farbe hat Missbrauch?" „Das Thema lag mir lange im Magen", berichtet er im Gespräch mit der RZ und erklärt: „Dazu setzen sich so viele an einen Tisch und reden und reden und reden. Das kostet ein Heidengeld, und dann stehen sie auf, und es passiert nichts."
Im Spätsommer des vergangenen Jahres diskutierte er seine Idee dann erstmals am Rande einer Ausstellung mit einem kleinen deutsch-niederländischen Künstlerkreis. Und das war der Startschuss. Nach weiteren Gesprächen war klar: Daraus soll mehr werden als nur eine Kunstausstellung. Es soll „ein Projekt" entstehen.
Konkret heißt das nun – rund 80 Tage vor der ersten, feststehenden Ausstellung in der Dürener Marienkirche –, dass nicht nur eine mittlerweile 13-köpfige Künstlergruppe aus Holland, Belgien, der Türkei, Südafrika und eben Neuwied ihre Werke zeigt, sondern dass auch die Kriminalitätsopferschutzvereinigung Weißer Ring und der Verein Goldrute – ein Migrantinnennetzwerk gegen häusliche Gewalt – mit an Bord sind. Schulen beteiligen sich – sowohl bei der eigentlichen Ausstellung als auch im Unterricht –, und eine eigene Psychologin betreut die Besucher.
Denn natürlich kann es durchaus sein, dass einzelne Werke ein wenig verstörend auf die Betrachter wirken. Hauptziel ist das allerdings nicht. „Eher verwirren", sagt Barnes. Jedenfalls wollen die Künstler zum Denken anregen. „Wenn wir nur 100 Besucher haben und sich von denen nur fünf künftig mehr Gedanken über ihr eigenes Handeln machen, haben wir unser Ziel schon erreicht", meint Stein und weist darauf hin, dass es bei dem Projekt keinesfalls nur um sexuellen Missbrauch geht, sondern auch um andere Formen, die viele vielleicht manchmal auch unbewusst anwenden. Stichwort: verbaler Missbrauch.
Bliebe die Frage, welche Farbe der Missbrauch denn nun wirklich hat? Die Antwort darauf wollen die Künstler sowohl selbst individuell unterschiedlich geben als auch sich ganz elegant von den Besuchern immer wieder neu beantworten lassen. Denn die Gäste werden gebeten, jeweils einen Farbstrich auf eine gemeinsame Leinwand aufzutragen. „Am Ende sehen wir dann ja, welche Farbe dominiert", sagt Stein.
Von Deutschland in die Niederlande und die Türkei
Nicht nur die Künstler kommen aus aller Welt, das Projekt „Welche Farbe hat der Missbrauch?" soll auch international gezeigt werden. Nach dem Auftakt in der Dürener Marienkirche vom 12. bis 27. Oktober geht die Ausstellung zunächst ins Kölner WDR-Haus und dann 2014 in die Niederlande. Hier steht lediglich noch nicht fest, ob nach Amsterdam oder Maastricht. Ein Jahr später ist dann die Türkei an der Reihe (Istanbul oder Izmir sind im Gespräch), 2016 soll es weitergehen nach Belgien oder Frankreich. Weitere Ausstellungsorte – auch Neuwied – sind laut Organisator Stein denkbar.
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