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Reuther Neuwied: Investition oder Schließung?

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Von unserem Redakteur Ulf Steffenfauseweh

Im Neuwieder Traditionswerk Reuther Verpackung zittern die 247 Mitarbeiter. „Die Verunsicherung ist groß, die Kollegen haben Angst", berichtet Betriebsratschef Piero Sabatino auf RZ-Nachfrage. Denn im schlimmsten Fall droht eine Schließung des kompletten Werks. Derzeit laufen die Wochen der Entscheidung. Will heißen: Der US-Investor Sun Capital Partners, der das Neuwieder Traditionsunternehmen Ende 2010 übernommen hat, berät nach RZ-Informationen aktuell über die Zukunft seiner Britton-Gruppe, in der neben dem Standort Neuwied mehrere Werke aus der Verpackungsindustrie in England, Frankreich und Österreich zusammengefasst sind. Die Manager suchen nach Synergien.

Bis Ende August wird eine Entscheidung erwartet. Was dabei herauskommt, ist wohl noch völlig offen. Die Schließung ist nur eine Option, auf der anderen Seite könnte es auch sein, dass noch einmal kräftig investiert wird, um den Standort Neuwied zu stärken. „Die Firma möchte zwei neue Maschinen anschaffen", hat Sabatino auch positive Signale gehört.

Das könnte dennoch gleichzeitig mit einer größeren Entlassungswelle einhergehen. Denn laut Betriebsrat ist die Kehrseite des Investitionsplans das Vorhaben, 90 Mitarbeiter abzubauen. „Sie wollen auf 156 zurück", hat Sabatino gehört. Das wäre dann gut ein Drittel der Belegschaft, die noch vor rund fünf Jahren im Neuwieder Werk arbeitete.

Zur Erinnerung: 2008 hatte das damals noch Familienunternehmen angekündigt, 50 von insgesamt 450 Arbeitsplätzen abbauen zu wollen (die RZ berichtete). Seitdem ist der Mitarbeiterstand sukzessive und ohne aufsehenerregende Kündigungswellen auf 247 reduziert worden.

Wir haben schon drei Sozialpläne durchlaufen", berichtet der Betriebsrat, der hofft, dass die mögliche Nummer 4 etwas anders aussieht als seine Vorgänger: „Die haben immer nur Personalabbau bedeutet und keine strukturellen Veränderungen. Sie haben immer gemeint, mit Stellenabbau könne man das Werk stabilisieren", klagt er. Die Mitarbeiter hätten dabei bereits auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichtet und Nullrunden in Kauf genommen. „Sie haben wirklich alles versucht, dem Unternehmen zu helfen", unterstreicht Sabatino.

 

Verdi-Sekretär: Die Zeiten, in denen die Beschäftigten verzichtet haben, sind vorbei.

Die Vorgänge bei Reuther lösen bei Verdi-Gewerkschaftssekretär Michael Holdinghausen Kopfschütteln aus: „Seit 2008 sitzt da jetzt der achte oder neunte Geschäftsführer. Unglaublich, wie sich die Leute die Klinke in die Hand geben. Und immer waren es Leute, die kein Interesse am Standort hatten, sondern nur Betriebswirtschaftler, die sich einen Namen machen wollen", sagt er im Gespräch mit der RZ und betont: „Wir hoffen noch, dass mit dem neuen Geschäftsführer (Philipe Langelier, Anm. d. Red.) eine Kehrtwende einsetzt, auch wenn die Mitarbeiter so langsam nicht mehr daran glauben."

Wie Holdinghausen weiter berichtet, gilt bis Ende des Jahres noch ein Sanierungstarifvertrag bei Reuther, der Kündigungen ausschließt – zumindest solange das Werk nicht ganz zugemacht wird. Dieser sei noch mit dem später auch bei Praktiker und Karstadt tätigen Krisenmanager Thomas Fox ausgehandelt worden. Fox, so macht Holdinghausen Hoffnung, habe auch immer gesagt, dass am Standort Neuwied investiert werden müsste.

Ähnlich wie Betriebsratschef Piero Sabatino unterstreicht auch der Gewerkschaftssekretär, dass die Mitarbeiter ihren Teil zur Stützung des Unternehmens beigetragen haben. „Die Zeiten, in denen die Beschäftigten immer wieder verzichtet haben, sind vorbei", stellt er fest und legt nach: „Es ist der Job der Geschäftsführung, Aufträge heranzuholen. Da sehe ich Handlungsbedarf." Denn die Kunden lobten die Reuther-Produkte.

Grundsätzlich müssten die Angestellten eine Perspektive für den Standort bekommen. „Das Damoklesschwert der Werksschließung muss weg, auch über den Tarifvertrag hinaus", fordert er. Nur so könnte das Unternehmen auch wieder wirklich motivierte Mitarbeiter bekommen.


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