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Kopie von Asbacher Pfarrer erfindet den Welttag des Purzelbaums am Computer

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Von unserem Redakteur Mario Quadt

Die Hände und der Oberkörper zeigen nach vorn, dann kommt langsam Bewegung in den Purzelbaumschläger. Der strebt dem Boden entgegen, bezieht den Kopf geschickt in die Vorwärtsbewegung mit ein und lässt sich vornüber plumpsen – den Purzelbaum kennt jedes Kind. Dieser einfachen Turnübung hat Jörg Wilkesmann-Brandtner, evangelischer Pfarrer in Asbach und Kircheib, auf fast schon wundersame Weise einen Gedenktag gewidmet. Sein Welttag des Purzelbaums ist längst zu einem Internetphänomen geworden, welches von Asbach aus weltweit Verbreitung findet.

Dabei wollte der 54 Jahre alte Diener Gottes in seinem privaten Internetblog nur ein ihn faszinierendes Gedicht von Christian Morgenstern kommunizieren. Die poetischen Worte des deutschen Dichters garniert er am 27. Mai 2009 mit der Überschrift „Welttag des Purzelbaums". Der Purzelbaum – eine Zusammensetzung aus Sturz (von „purzeln" abgeleitet) und Aufbäumen („sich bäumen" – was heute eher „sich aufbäumen" entspricht) ist dabei explizit als Ausdruck ungezwungener Fröhlichkeit zu verstehen, weniger als Anregung, auf motorische Defizite im Kindesalter aufmerksam zu machen. „Manchmal packt mich die Lust am Karikieren. Und es fördert den Weltfrieden, wenn es etwas zu lachen gibt", berichtet der Pfarrer im Gespräch mit der RZ. „Vielleicht lässt sich aus meiner Idee etwas machen", hatte er vor drei Jahren in seinem Internetblog geschrieben.

Den Welttag auszurufen, war „eigentlich nicht mehr als ein Ulk", bekennt der Vater zweier Kinder und freut sich zugleich, welche Wellen sein Eintrag innerhalb dreier Jahre geschlagen hat. Zeitungen nahmen den noch nicht von der Unesco anerkannten Welttag zum Anlass, über die nachlassende Beweglichkeit von Kindern zu berichten, Sportvereine warben mit ihm für ihre Turnangebote, und der Radiosender SWR3 machte ihn zum Thema der Til-Schweiger-Persiflage „Tatort mit Til".

Wilkesmann-Brandtner beobachtet mit Wohlwollen und Amüsement, welche Entwicklung der Welttag genommen hat: „Das erfüllt mich mit einem gewissen Stolz", meint er. „Ich verbinde aber kein ernsthaftes Anliegen mit dem Welttag", betont er. Doch mittlerweile prangt das Internetphänomen, welches in Asbach seinen Ursprung hat, schon auf T-Shirts, weiß der Theologe. „Und ich bekomme nichts dafür", meint er und lacht.

Der Lächerlichkeit preisgeben will er den selbst ernannten Welttag aber keineswegs: „Die Unesco hat ziemlich viele Welttage in Umlauf gebracht, sie wirken vielleicht zunächst eigenartig, wie der Welttoilettentag", findet der Asbacher. „Sie haben aber einen ernsten Hintergrund." Schließlich ginge es beim Welttoilettentag nicht darum, dem Sitz aus Keramik, Porzellan oder anderen Werksstoffen ein von der Unesco abgesegnetes Denkmal zu setzen, sondern auch darauf aufmerksam zu machen, dass viele Menschen auf diesem Globus ihre Notdurft in einer selbst gegrabenen Grube verrichten müssen.

Ein Phänomen wie der Welttag ist der Internetblog selbst. Anfangs gibt Wilkesmann-Brandtner seine Gedanken über Gott und die Welt anonym preis. „Dann habe ich mich als Pfarrer aus dem Norden von Rheinland-Pfalz zu erkennen gegeben – ganz offiziell im Impressum", berichtet er. Heute versorgt er eine immer größere Fangemeinde mit dem „Theologischen Weblog für Kopf und Herz" – mit dem Segen seines Presbyteriums. „Es bleibt aber mein privates Vergnügen." Zumeist mache er sich über „Grundlegendes" seine Gedanken – die Bibel und Spiritualität ebenso wie das Leben, Espresso oder Poesie. „Es gibt viele christliche Blogs, die sehr bierernst sind – vielleicht finde ich da eine Lücke", sagt er.

Sein Purzelbaumtag ermuntert ihn übrigens, weitere Welttage vorzuschlagen, etwa den Weltknödeltag. „Weil die selbst gemachten die besten sind."

 


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