Oliver Grabus zählte Tausende Arbeitsstunden und mehr als 10 000 Euro an investiertem Vermögen auf, und der Schirmherr dankte seiner Mutter, die ihren Schirm über ihn gespannt hält, und das war „alles nur Theater": Unter diesem seinem Motto und somit ganz in seinem Element hat der Theaterverein Chamäleon am Samstag die Kulturkuppel gegenüber vom Schloss offiziell eröffnet. Die ehemalige Einkaufs- und Gastropassage soll unter Führung der Neuwieder Theaterleute eine offene „Aktionsfläche für kreative Projekte" werden, so Vereinsvorsitzender Grabus.
In Anbetracht der tristen Historie des Ortes greift er mit dieser Vision nach den Sternen und zeigt mit der Eröffnung gleichzeitig: Einige sind schon erreicht. „Vor mehr als 20 Jahren hat man hier gemütlich gegessen, Schuhe und Klamotten gekauft. Damals legten noch zwei bis drei Touristenschiffe in Neuwied an", erinnerte Grabus in seiner Ansprache. „Und noch vor einem Jahr fanden hier Sex, Drogenkonsum und Alkoholexzesse statt, der Müll türmte sich, während parallel im Obergeschoss Kinder die Ballettschule besuchten." Die Chamäleons, die als sich immer fester etablierende Amateurtheatergruppe schon länger nach einer größeren Proben- und Veranstaltungsadresse gesucht hatten, haben sich Anfang des Jahres des heruntergekommenen Kuppelbaus angenommen. Finanziell unterstützt von den Stadtwerken und der Sparkasse sowie Eigentümer Carl Fürst zu Wied, haben sie die gut 60 Räume ehrenamtlich entrümpelt und bespielbar gemacht.
Schon seit Juli ist hier „Das schreckliche Schlachthaus Schlabbeck" eingezogen, eine Art Horrorhausführung und Privattheater in einem. Das interaktive Trash-Stück zieht vor allem junges Publikum an und nimmt es über 1000 Quadratmeter und drei Etagen in die dunkelsten Ecken der früheren Schlemmerkuppel mit. Wer mitmacht, ist als Held gefragt. Etwa ein Fünftel des Hauses ist vermietet, für den großen Rest sucht Chamäleon aber weiterhin Künstler, Kontakte, Ideen, helfende Hände und Spenden. Denn die Kulturkuppel „ist nicht das Chamäleontheater", wie Grabus betont, und ist genauso wenig ein „Projekt der Stadt oder eines kommerziellen Investors". Der Anfang ist gemacht, bis zum Jahresende steht das Programm aus Ausstellungen, Workshops, Konzert und Aufführungen. In zwei leer stehenden Ladenlokalen stellen sechs Künstler aus.
Schirmherr und, wie er selbst sagt, Schutzpatron der Vision ist der Ex-Neuwieder Joe Knipp, der einst den Kulturpreis der Stadt erhielt und jetzt das Theater am Sachsenring in Köln leitet. Er findet es großartig, welche Genres in der Kulturkuppel ein Verbindung eingehen, und bestärkte die mehr als 100 Chamäleon-Mitglieder darin, nur Theater machen und sonst nichts sein zu wollen.
Viel Kuchen und viel Grusel bei einer kostenlosen „Schlabbeck"-Führung gab es an diesem Nachmittag, Umarmungen, Anerkennung, Späße. „Der alte Muff ist raus, die Zukunft zwar ungewiss, doch alles ist besser als das, was war", stimmte Grabus seine Mitstreiter und Zuschauer ein. Was kann da noch schiefgehen? Im Sinn von Theater, was staunen und miterleben macht, eigentlich nichts.
Von unserer Redakteurin Dorothea Müth