Von unserem Redakteur Markus Gerhold
Deshalb hat ihn das Schöffengericht am Amtsgericht Neuwied jetzt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Sie wird allerdings für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss sich der Mann einer Therapie unterziehen und 5000 Euro Geldstrafe zahlen. Richter Herbert Speyerer findet in der Verhandlung deutliche Worte für das Fehlverhalten des Mannes: „Das ist ja teilweise schon pervers. Das kann man nicht anders sagen.“
"Die meiste Zeit bin ich eigentlich zu Hause"
Ruhig, fast schon teilnahmslos sitzt der Angeklagte im Saal 121 des Neuwieder Gerichts. Nur selten äußert er sich zu den Vorwürfen, meist noch nicht einmal in ganzen Sätzen. Nur einmal setzt er zu einer etwas längeren Ausführung an, als der Richter ihn aufgefordert hat, seine Lebensumstände zu beschreiben. In knappen Worten spricht er davon, dass er einen ganz normalen Job hat, noch bei seinen Eltern lebt, eigentlich keine Freunde hat, sich nur ab und an mal mit Arbeitskollegen trifft und lediglich einmal eine Fernbeziehung führte. „Die meiste Zeit bin ich eigentlich zu Hause“, erklärt der Neuwieder. Auf die Nachfrage des Staatsanwalts sagt er zudem, dass er sich eigentlich gar nicht zu Kindern hingezogen fühlt und sich im realen Leben auch nicht in deren Nähe aufhält.
Die Chatprotokolle bei ICQ, die die Behörden über Monate im Jahr 2011 abgegriffen haben, geben ein anderes Bild wieder. Darin bringt der 33-Jährige nicht nur seine Lust nach Sex mit Kindern zum Ausdruck, er tauscht auch massenhaft Bild- und Videodateien mit anderen Nutzern. Kurz vor Weihnachten 2011 schlägt die Polizei dann zu. Beamte stehen mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Haustür des 33-Jährigen und beschlagnahmen später Festplatten und USB-Sticks mit dem kompromittierenden Material. Am Ende sind es knapp 600 Dateien, die seine perverse Lust bezeugen.
Angeklagter räumt Tat ein
Dass der Mann für sein Fehlverhalten eine deftige Strafe erhalten wird, zeichnet sich schon früh in der Verhandlung ab. Die Beweislast ist erdrückend. Über seinen Anwalt Kai Uwe Ritter räumt er seine Tat ein. Doch der Staatsanwalt fordert, die Haftstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Er zweifelt an der Reue des Angeklagten, spricht bei dessen Geständnis von einem Lippenbekenntnis, zumal der Mann in den fast zwei Jahren, seit die Polizei ihn hat hochgehen lassen, fast gar nichts unternommen hat, um einen Therapieplatz zu bekommen. Was den Staatsanwalt fast noch mehr beschäftigt: Waren die Internetchats vielleicht erst der Anfang? Reagiert der Angeklagte gar nicht auf die Warnschüsse der Justiz? Schließlich ist der Mann einschlägig vorbestraft.
Denn schon im Januar 2011 hatten die Behörden einen Rechner des 33-Jährigen beschlagnahmt, im Oktober drauf war dann ein erster Strafbefehl gegen ihn ergangen, 3600 Euro brummte ihm das Gericht auf. Doch das hielt ihn nicht davon ab, immer weiterzumachen. Deshalb stellt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer jetzt die bange Frage: „Passiert da nicht noch mehr?“
"Was geht im Kopf des Angeklagten vor?"
Dem hält Verteidiger Kai Uwe Ritter entgegen: „In der Haft wird doch aus diesem Menschen kein anderer Mensch.“ Deshalb wirbt der Jurist um das Bewährungsurteil, verbunden mit der Auflage, eine Therapie zu machen. Dieser Auffassung schließen sich letztlich auch der Richter und die beiden Schöffen an. Zwar betont Speyerer in seiner Urteilsbegründung noch mal: „Der Inhalt der Chatprotokolle gibt Anlass zu Sorge. Was geht im Kopf des Angeklagten vor?“ Dennoch sieht er in der Bewährungsstrafe mit ihren Auflagen eine genügend große Abschreckung. Zumal er die Bewährungszeit mit vier Jahren hoch angesetzt hat.
Und noch eine Hürde hat das Gericht eingebaut. Über den Fortschritt seiner Therapie, die der 33-Jährige zur Not auch aus eigener Tasche bezahlen muss, hat er alle drei Monate Bericht zu erstatten.