Neuwied - Lasst uns glücklich sein! So heißt das hebräische Volkslied Hava Nagila übersetzt. Und als die (brillanten) Jungen Philharmoniker Neuwied eben dieses Hava Nagila zum Abschluss des offiziellen Teils der Festveranstaltung „25 Jahre Städtepartnerschaft Drom Hasharon - Neuwied" spielten, hätte es kein passenderes Lied geben können.
Von unserem Redakteur Ulf Steffenfauseweh
Wer glaubte, die schlimme Vergangenheit würde der Veranstaltung einen getragenen und furchtbar steifen Charakter geben, sah sich am Freitagabend im Heimathaus eines Besseren belehrt. Die acht israelischen Gäste stürmten förmlich die Tanzfläche des Heimathauses, rissen klatschend und mitsingend die Neuwieder von ihren Sitzen und führten sie mit einer Polonaise durch den Saal. Hava Nagila, lasst uns glücklich sein!
Der gemeinsame Silberhochzeitstanz war der perfekte Beweis, dass 25 Jahre Partnerschaft zu einer echten Verbundenheit geführt haben.Folglich hat der auf der Rückseite des Festprogramm zitierte David Ben Gurion fast genau 75 Jahre nach der Reichspogromnacht, in deren Folge auch die Neuwieder Synagoge zerstört worden war, wohl recht gehabt: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
Und so erinnerte Drom Hasharons Bezirksbürgermeister Dr. Moti Delgo in seiner Ansprache zwar auch an „das dunkelste Kapitel der Geschichte", betonte aber, dass Deutschland „heute ganz anders" sei. „Es ist ein Land, das seine Hand zum Frieden ausstreckt und mutig und aufrecht mit seiner Geschichte umgeht", betonte er. Dagegen stünden anderswo in den vergangenen Jahren wieder vermehrt Holocaust-Leugner auf und meldeten sich zu Wort. „Der oberste Kopf dieser Leugner ist Ahmadinedschad. Seine Stimme dürfen wir nicht ignorieren, die internationale Gemeinschaft sollte das unbedingt anprangern", rief er dem Publikum zu, das ihm dafür spontan applaudierte.
Ähnlich betonte Neuwieds Oberbürgermeister Nikolaus Roth in seiner Rede, dass es sein „großer Wunsch" sei, „dass sie die Erfahrung machen, dass sich Deutschland geändert hat und dass sie hier in Neuwied Freunde haben, die zu ihnen stehen". In diesem Zusammenhang sah er die Neugründung der jüdischen Gemeinde Neuwied-Mittelrhein vor gut fünf Jahren als „klares Zeichen, dass sie wieder Vertrauen fassen, dass das Logo unserer Stadt ,Tolerant, lebendig' nicht bloß ein Slogan ist, sondern gelebt wird".
Nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte der Städtepartnerschaft ging Roth auch noch einmal auf den Jubiläumsbesuch der Neuwieder Delegation im vergangenen November in Israel ein, bei dem die Deutschen in Tel Aviv hautnah einen (erfolgreich abgewehrten) Raketenbeschuss miterleben mussten (die RZ berichtete): „Deutlicher kann niemandem der Unterschied vor Augen geführt werden, ob man eine Situation aus der sicheren Entfernung oder im unmittelbar eigenen Miterleben beurteilt", sagte der OB und unterstrich: „Ebenso wenig jedoch kann etwas andere als dieses Miterleben der ständigen Bedrohung die Freundschaft mit unseren Partnern vertiefen, wie wir es in Israel erfahren haben."
Insgesamt, so resümierte Roth, stelle die Städtepartnerschaft „ein modellhaftes Abbild dar, wie durch zwischenmenschliche Beziehungen Frieden, Verständigung und Versöhnung gelebt werden können."
Gerd Anhäuser ging als stellvertretender Vorsitzender des Deutsch-Israelischen Freundeskreises (DIF) in seinem Rückblick auf die Städtepartnerschaft vor allem auf den früheren Schüleraustausch ein, den die damalige Max-zu-Wied-Realschule (heute IGS) unterhalten hatte. Dieser Jugendaustausch müsse wiederbelebt werden. „Lassen sie uns daran arbeiten, Hemmnisse gleich welcher Art zu beseitigen", appellierte er und unterstrich: „Der DIF wird alle Vorhaben dieser Art unterstützen - materiell wie ideell."Worte, die Dr. Moti Delgo und seiner Delegation gefallen haben dürften (siehe Interview), was spätestens beim Hava Nagila für Jeden sichtbar wurde.
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Am Rande der Festveranstaltung hatten wir die Gelegenheit, mit Drom Hasharons Bezirksbürgermeister Dr. Moti Delgo über die Partnerschaft und ihre Zukunft zu sprechen.
Was ist das Wichtigste an der 25-jährigen Partnerschaft zwischen Drom Hasharon und Neuwied?
Man sagt, es ist eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel, zwischen Neuwied und Drom Hasharon. Aber es ist eine Partnerschaft zwischen den Menschen. Das haben wir vor 25 Jahren begonnen. Wir haben Beziehungen von unten aus aufgebaut. Ich hoffe, diese Beziehungen gehen weiter. Und wir müssen dabei in die Zukunft schauen. Ich weiß, wir leben in der Gegenwart, und wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Aber wir müssen voraus blicken.
Was heißt das? Welche Ziele sollte die Partnerschaft haben?
Wir müssen vor allem bei der Jugend ansetzen. Ich hoffe, an den Schulen ist man so mutig, zu lehren, was wirklich passiert und was falsch ist. Viele Menschen wussten das in der Zeit des Holocaust eben nicht. Wir müssen den jungen Leuten heute erklären, was passiert ist und ihnen gleichzeitig sagen, dass Vergangenheit Vergangenheit ist, und dass wir in die Zukunft schauen müssen. Dazu sollten wir auf jeden Fall wieder einen Jugendaustausch durchführen.
Wie hat sich das Verhältnis zu Neuwied und Deutschland in den vergangenen 25 Jahren verändert? Und haben sie noch Partnerschaften mit anderen Ländern?
Nein, die haben wir nicht. Aber durch die Partnerschaften zu Deutschland hat sich viel verändert. Als Ben Gurion und Adenauer mit der Aussöhnung begonnen haben, war die halbe Knesset damit nicht einverstanden. Auch bei uns gab es anfangs gegen die Partnerschaft mit Neuwied Widerspruch. Das ist dann langsam, langsam besser geworden. Dadurch, dass ich dich kenne und du mich, und dass wir beide sehen, dass wir Menschen sind. Heute kritisiert bei uns jedenfalls keiner mehr die Partnerschaft. Und wir fühlen uns auch dieses Mal in Neuwied wieder sehr warm empfangen. Ich danke dabei vor allem Nikolaus Roth sehr. Er steckt viel Herzblut in die Partnerschaft.