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Die Arbeit im Bordell wurde zum Martyrium

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Es war eine Leidenszeit, die für die Leiterin des Etablissements jetzt ein juristisches Nachspiel hat.

Seit gestern muss sie sich vor dem Neuwieder Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der 38-Jährigen vor, Viola von März 2011 bis März 2012 dazu gezwungen zu haben, Männer sexuell zu befriedigen. Außerdem soll sie die heute 26-jährige Rumänin mehrfach geschlagen haben. Zwei vollendete Fälle von Körperverletzung und ein versuchter Fall stehen deshalb zur Verhandlung vor dem Schöffengericht. Einmal, so heißt es in der Anklage, schlug die 38-Jährige ihr Opfer mit einem Kochtopf und verletzte sie schwer am Kopf.

Zum Auftakt des Prozesses, der auf vier Verhandlungstage festgesetzt ist, trat eine ehemalige Bardame des Etablissements auf. Und sie belastete ihre ehemalige Chefin schwer. Viola habe als einzige Prostituierte in dem Club all ihr verdientes Geld abliefern müssen. Während die anderen Frauen die Hälfte des Basispreises von 120 bis 150 Euro pro Stunde, den Freier für Sex zahlen mussten, behalten konnten, habe die junge Rumänin nichts bekommen. Außerdem habe sie rund um die Uhr arbeiten müssen, sei zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gezwungen worden und habe sogar arbeiten müssen, wenn sie ihre Periode hatte.

Außerdem habe die Chefin Viola immer wieder gedroht, unter anderem damit, dass sie sie vor die Tür setze, die 26-Jährige zurück nach Rumänien müsse und in die Hände von Menschenhändlern gelange. Das war ein Albtraum für die junge Frau, die nach eigenen Angaben weder lesen noch schreiben kann, unter Androhung von Gewalt nach Deutschland verschleppt worden war und kein Deutsch spricht.

Hinzu seien immer wieder die Schläge gekommen. Das vermeintliche Opfer selbst gab an, dass als Grund für Gewalt ausreichte, wenn sie nicht genug Geld an einem Tag verdient habe. Das Geschäft lief sehr unterschiedlich. Mal hatte Viola an einem Abend drei bis vier Freier zu bedienen, mal war es gar keiner.

Doch die Bardame erinnerte sich vor Gericht an einen weiteren Fall, bei dem die Chefin austickte: Viola musste gegen ihren Willen mit einem Freier trinken, schließlich übergab sie sich vor ihm. Das, so schilderte es die Zeugin, habe die Angeklagte gesehen und sei ausgeflippt, habe die Prostituierte an den Haaren die Treppe hinaufgeschleift und sie mit der Faust traktiert. Das beobachtete die Bardame und griff laut ihrer Schilderung ein.

Als im Frühjahr 2012 – Viola arbeitete inzwischen ein Jahr in dem Bordell – auch noch der Vorfall mit dem Kochtopf hinzukam und die junge Rumänin der Bardame unter Tränen in gebrochenem Deutsch und mit Händen und Füßen ihr Leid klagte, habe sie den Entschluss gefasst, der Prostituierten bei der Flucht zu helfen.

Am 8. März brachte Viola den Müll raus und stieg in das Auto der Tochter der Bardame, die vor der Tür gewartet hatte. Später fuhren die beiden zur Polizei und erstatteten Anzeige.

Jedoch traten beim Prozessauftakt Widersprüche auf. Die Angeklagte äußerte sich bis auf wenige Zwischenrufe nicht. Immer wieder schüttelte sie aber den Kopf. Das vermeintliche Opfer hatte selbst in seiner Muttersprache und per Dolmetscher Mühe, sich zu äußern. Immer wieder stöhnte die 26-Jährige auf, weil ihr die Worte fehlten: Sie widersprach zudem früheren Darstellungen vor einer Ermittlungsrichterin. An eine Aussage bei der Polizei erinnerte sie sich schlicht gar nicht. Und dass ihre Chefin sie an den Haaren gezogen und sie verprügelt habe, schilderte sie zwar. Die Bardame habe jedoch nicht interveniert, sondern jemand anderes.

So ergab sich nach dem ersten Verhandlungstag nicht nur für Richter Herbert Speyerer ein widersprüchliches Bild. Es liegt noch ein aufwendiger Prozess vor allen Beteiligten. Die Verhandlung geht am Dienstag, 20. August, weiter. Markus Gerhold


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