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Lehrer haben keine Angst vor Thema Homosexualität

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Neuwied - Homosexualität steht nicht nur in Biologie auf dem Lehrplan

Von unserem Redakteur 
Frank Blum

Während Ex-Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger große Anerkennung für sein Coming-out erhalten hat, wehren sich in Baden-Württemberg Eltern, Schüler und Lehrer gegen eine Festschreibung von „Akzeptanz sexueller Vielfalt" im staatlichen Bildungsplan. Eine Online-Petition hat Zehntausende Unterstützer. Wie gehen Schulen im Kreis Neuwied mit dem sensiblen Thema Homosexualität um? Welchen Spielraum lassen hierzulande die Lehrpläne den Pädagogen, um auf das Thema einzugehen?

Ralf Groß, Schulleiter der Realschule plus in Irlich, ist über das Ausmaß der Petition im Nachbarland überrascht. In Rheinland-Pfalz sei das Thema menschliche Sexualität fester Bestandteil des Lehrplans im Fach Biologie, betont Groß. Es gehöre als Bestandteil der Gesamterziehung zum Auftrag der Schule und solle fächerübergreifend umgesetzt werden. Vor allem in Jahrgangsstufe neun gehe es um „Menschliche Sexualität im Spannungsfeld eigener Wünsche und gesellschaftlicher Normen". Dabei werde explizit über Homosexualität gesprochen.

Harald Lutz, Sozialkundelehrer an der IGS Neuwied, weist darauf hin, dass die Pädagogen trotz Rahmenplänen Freiheiten haben, Themen wie Homosexualität aufzugreifen – und das durchaus in mehreren Fächern. „Wenn ein Aktualitätsbezug vorhanden ist, in dem wir eine Relevanz erkennen, kommt das Thema aufs Tapet", sagt Lutz. So sei es im Fach Deutsch bei der Analyse von Zeitungsartikeln ein denkbares Thema, beispielsweise um eine Pro-und-Kontra-Diskussion anzustoßen. Ein Kollege bespreche im Englisch-Unterricht einen Text, in dem ein gleichgeschlechtliches Paar eine Rolle spielt.

Seine IGS-Kollegin Constanze Hein, die Naturwissenschaften und Biologie unterrichtet, weist darauf hin, dass Sexualität ein Unterrichtsthema ist, das die Kinder von Klassenstufe 6 bis 10 unter verschiedenen Aspekten begleite – von Körperfunktionen über Verhütung bis Familienplanung. „In Klasse 6 erfolgen einfache Infos, und wir diskutieren nach einem Rollenspiel", sagt Hein. Ihre Erfahrung: „Schüler akzeptieren das Anderssein. Es wird kontrovers diskutiert, aber ohne Schärfe oder Ausfälligkeiten." Hein betont, dass jeder Lehrer verpflichtet sei, das Thema anzusprechen. „Da kann sich keiner aus der Verantwortung ziehen." Sie hatte bislang kein negatives Erlebnis mit Schülern. Konfliktpotenzial gebe es eher aufseiten der Eltern, von denen man häufiger Rückmeldungen erhalte. Laut Hein gibt es einige Mennoniten und wenige Muslime, die das Thema Sexualität nicht auf dem Stundenplan haben wollen.

Diese Erfahrungen hat man in Irlich nicht gemacht. Laut Schulleiter Groß erhalten Eltern Informationen darüber, dass eine Sexualkunde-Einheit ansteht. „Falls dadurch interne familiäre Diskussionen angestoßen werden, können sich die Väter und Mütter an die Lehrer wenden", sagt Groß. Bislang habe es keinerlei Kritik von Elternseite aus gegeben. Auch in Religion und Ethik ist Sexualkunde ein Thema. Ralf Groß, der selbst Theologie studiert hat, weist darauf hin, dass die Diskussion dabei nicht immer leicht zu führen ist. „Es geht dabei ja nicht um richtig oder falsch", meint er.

Angesichts dessen, dass seiner Meinung nach Homosexualität noch immer ein Tabuthema unter Schülern sei, komme es darauf an, „eine vertrauenswürdige Lernsituation" aufzubauen. In jedem Fall sei eine Diskussion nützlich, weil sie zum Überdenken des eigenen Standpunktes führe. Das sei für manche Schüler schwierig – vor allem für diejenigen, die sich über ihre sexuelle Orientierung Gedanken machen. Daher biete man an, anonymisiert darüber zu reden. Die Schule müsse Hilfestellungen jenseits des Unterrichts geben können. „Wie viele Jugendliche in Schulen sitzen und leiden, das wissen wir nicht", merkt Groß an. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die guten Erfahrungen mit der Schulsozialarbeit. Die sei mit vielen Problemen vertraut und könne entsprechende Tipps geben und Ansprechpartner benennen.

Dass sich ein Schüler als homosexuell outet, ist für den Pädagogen nur schwer vorstellbar. Das könne nur eine ungewöhnlich starke Persönlichkeit, die wisse, was auf sie zukomme, wenn sie sich jenseits der Norm bewege. „Derjenige, der das macht, muss im Vorfeld schon eine starke Position in der Schülerschaft einnehmen und hohe Anerkennung genießen", ist sich Groß sicher.


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