Kreis Neuwied - Über die (Un-)Pünktlichkeit der Deutschen Bahn wird gern geschimpft. Doch stimmt das überhaupt – oder sind die Verzögerungen gefühlt viel schlimmer als in der Realität? Die „Süddeutsche Zeitung" hat in einer groß angelegten Erhebung an fast sämtlichen Bahnhöfen im Bundesgebiet die Verspätungen erfasst. Wir haben diese Studie für den Kreis Neuwied ausgewertet. Und dabei ein Ergebnis mit zwei Seiten bekommen.
Von unserem Redakteur Ulf Steffenfauseweh und unserer Mitarbeiterin Viola Görgen
Gerade schmeichelhaft ist es für die Bahn nicht, doch in unserem Kreis ist sie immerhin besser als im Durchschnitt.
So sind am Bahnhof in der Stadt Neuwied laut der SZ-Erhebung 15,4 Prozent der einlaufenden Züge nicht pünktlich, und die Verspätung beträgt im Schnitt fünf Minuten. Zum Vergleich: Deutschlandweit sind insgesamt rund 20 Prozent der Züge verspätet – und das um gute 15 Minuten.
Geradezu glänzend sind die Zahlen aus Bad Hönningen: Hier wartet der Fahrgast am Bahnhof nur bei 7,7 Prozent der Züge durchschnittliche fünf Minuten länger als im Plan veranschlagt. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass auf der rechten Rheinseite viel Güter-, aber weniger Personenverkehr stattfindet. In der Bade- wie in der Deichstadt fahren fast ausschließlich regional verkehrende Bahnen (RE, RB, MRB) ein, und die haben offensichtlich weniger Verzögerungen.
Auf der anderen Rheinseite, wo Intercity und Co. unterwegs sind, sieht es nämlich deutlich schlechter aus: An den ebenfalls von vielen Reisenden aus dem Kreis Neuwied genutzten Bahnhöfen von Andernach, Koblenz und Bonn fährt fast jeder dritte Zug nicht planmäßig ein. Und die Fahrgäste müssen dabei im Schnitt circa 15 Minuten warten. Nur etwas besser sind die Zahlen für den ICE-Bahnhof Montabaur, den auch viele Urlauber nutzen, die zum Frankfurter Flughafen wollen: Hier sind 23,3 Prozent aller Züge im Schnitt 11,8 Minuten zu spät.
Und was sagen die Bahnkunden selbst? Wir haben uns am Neuwieder Bahnhof umgehört und dabei ein gemischtes Stimmungsbild erhalten: „Nachmittags sind die Züge häufig verspätet", beschwert sich beispielsweise Marina Fomenko, die wie viele weitere Schüler Probleme auf der Strecke von Linz nach Neuwied feststellt. Einmal, so erzählt sie, betrug ihre Wartezeit am Linzer Bahnhof sogar 60 Minuten.
Schülerin Luisa Trembatsch fährt ebenfalls täglich dieselbe Strecke und ist unzufrieden mit der Pünktlichkeit der Züge. Sie sagt, dass sich die Bahn „in letzter Zeit öfter" verspätet. Auch Alexander Schmuck erzählt, dass er „so oft zu spät zur Schule" kommt. Er berichtet von vielen Verzögerungen auf den Strecken Vallendar–Neuwied und Neuwied–Rheinbrohl.
Viele Passanten am Neuwieder Bahnsteig bestätigen Probleme auf der Strecke nach Koblenz. Vor allem aktuell führe eine Baustelle auf der anderen Rheinseite zu Häufungen.
Im Gegensatz dazu scheint es aber auch verlässliche Strecken zu geben. Eine Passantin, die regelmäßig mit dem Zug in Richtung Frankfurt fährt, bezeichnet die Verbindung zum Beispiel als „sehr gut". Und dann gibt es auch noch die Fahrgäste, die sich an ein paar Minuten Verspätung, die häufiger auftreten, nicht stören und die Pünktlichkeit der Bahn im Allgemeinen in Ordnung finden.
Der Verspätungs-Atlas der „SZ"
Für ihren „Verspätungs-Atlas" (http://www.sueddeutsche.de/reise/verspaetungs-atlas-so-verspaetet-ist-die-bahn-in-ihrer-stadt-auf-ihrer-strecke-1.1651455) hat die „Süddeutsche Zeitung" ein Jahr lang 3,28 Millionen Fahrten mit 667 535 Verspätungen erfasst: Als am meisten verspätete Zugtypen führt die Statistik ICEs und den Nachtzug City Night Line auf.
Die Verspätungen variieren auch je nach Tageszeit. Um 6 Uhr ist die Bahn am pünktlichsten, um 0 Uhr lässt sie am längsten auf sich warten. Fast das gleiche Bild zeigt sich im Wochenverlauf: Zum Wochenende hin nehmen die Verspätungen zu, bis sie samstags ihren Höhepunkt erreichen. Unterschiede gibt es zudem bei den Jahreszeiten: In den Wintermonaten ist es am schlimmsten, im April gibt es die wenigsten Verzögerungen im Bahnverkehr. Die von der Bahn am häufigsten angegebenen Ursachen lauten: „Verspätung eines vorausfahrenden Zuges", „Technische Störung am Zug" und „Bauarbeiten