Kreis Neuwied - In der Marienhauser Exklave Kuhheck dürfen sich doch Windräder drehen: Nach einem abschlägigen und einem in beide Richtungen interpretierbaren Bescheid hat die Untere Immissionsschutzbehörde des Kreises jetzt für dieses Gebiet vier Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 138,38 Metern genehmigt. Den Antrag für die ehemals geplante fünfte Windkraftanlage in der Nähe des Schwarzstorchhorstes hatte der Investor im Laufe des Antragsverfahrens zurückgezogen.
Wie Ina Heidelbach von der Kreisverwaltung betont, ist diese auf 20 Jahre befristete Genehmigung aber noch nicht gültig. Das wird erst der Fall sein, wenn der Investor, die EAP EnBW Altus Projektentwicklungsgesellschaft mbH, „massive Auflagen mit aufschiebender Wirkung" erfüllt hat.
Umfangreicher Auflagenkatalog
Der Auflagenkatalog ist umfangreich: So muss der Investor unter anderem gemäß einem von ihm in Auftrag gegebenen Konzept Flächen erwerben, die dem Rotmilan alternativ für die Futtersuche zur Verfügung stehen sollen. Hintergrund ist der nicht eingehaltene Abstand zu einem Horst. Zudem dürfen Rodungen erst wieder ab Oktober erfolgen. Mit Blick auf Fledermäuse müssen Altholzbestände mit von den Tieren genutzten Höhlen gesichert werden – und das ist auf die 20-jährige Betriebserlaubnis für mögliche Windräder zu garantieren. Ferner sind umfangreiche Abschaltzeiten zu berücksichtigen, etwa wenn Schwarzstörche ziehen oder Fledermäuse aktiv sind. Dieser Passus basiert laut Heidelbach auf der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Koblenz. Daneben sind etliche Forderungen im Hinblick auf den Bau der Windkraftanlagen formuliert. Unabhängig von den im Bescheid seitenweise aufgelisteten Auflagen hat der Investor seinerseits bereits signalisiert, diese erfüllen zu wollen, informiert Heidelbach weiter.
Für die Bürgerinitiative (BI) „Rettet die Kuhheck" und die Gemeinden Roßbach, Freirachdorf und Mündersbach ist die Genehmigung ein schwerer Schlag. Sie haben gegen Windräder in der Senke unterhalb des Hartenfelser Kopfes gekämpft und sind von einem Nein zu den Windkraftplänen ausgegangen. Die BI wähnte dabei stichhaltige Argumente auf ihrer Seite. Doch die zahlreichen Einwendungen zu Schallbelästigung (auch Infraschall), Schattenwurf, Tierschutz, Landschaftsbild, Lebensqualität und einigem mehr sind von der Genehmigungsbehörde in Neuwied geprüft, teils fachlich entkräftet oder aber für rechtlich unbegründet erklärt worden.
Heidelbach und ihr Kollege Wilfried Rüdig betonen, dass die Entscheidung der Behörde auf einer „rein rechtlichen Würdigung ohne Ermessensspielraum" beruht. „Sie hat keine kommunalpolitische Komponente." Soll auch heißen: Der Kreis habe sich streng an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz und des Kreisrechtsausschusses gehalten.
Was die Rechtsauffassung betrifft, hat sich laut Heidelbach auch der Landesentwicklungsplan (LEP) IV nachhaltig auf den aktuellen Bescheid ausgewirkt. Demnach seien bisher fehlende artenschutzrechtliche Vorgaben eingeflossen – inklusive des Gutachtens der staatlichen Vogelschutzwarte. So erkläre sich auch, warum die SGD Nord vorher zu einer anderen Einschätzung gekommen war.
Da die VG Dierdorf über keinen gültigen Flächennutzungsplan „Windkraft" verfügt, musste der Kreis den Antrag des Investors als sogenanntes privilegiertes Vorhaben behandeln. Das bedeutet: Die ohnehin nicht gesetzlich festgelegte Abstandsregelung zur Wohnbebauung – laut Wilfried Rüdig handelt es sich dabei lediglich um Richtwerte – fand keine Berücksichtigung. Heidelbach: „Einzig entscheidend war die TA Lärm. Und da werden die Grenzwerte eingehalten." Bei einem privilegierten Vorhaben sei darüber hinaus eine interkommunale Abstimmung hinfällig. Dass diese fehlte, hatte die BI moniert.
Rechtsstreit bahnt sich an
Wie der Kreis weiter mitteilt, hat die Gemeinde Marienhausen das Einvernehmen für die vier Windkraftanlagen erteilt. Die VG Dierdorf wolle nun einen Flächennutzungsplan „Windkraft" erarbeiten. Davon abgesehen rechnet der Kreis mit einem rechtlichen Nachspiel. Wie die Bürgermeister von Hachenburg und Selters erklären, behalten sich die Nachbargemeinden vor, die Entscheidung des Kreises Neuwied prüfen zu lassen.
Reaktionen auf die Entscheidung
Der Kreis Neuwied hat die vom Verwaltungsgericht Koblenz geforderte neuerliche Entscheidung zur Windkraft in der Kuhheck getroffen: Das grüne Licht für Windräder in der Marienhauser Exklave freut aber beileibe nicht jeden in der Region. Allen voran sind die Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) „Rettet die Kuhheck" sehr verärgert.Sprecher Torsten Schumacher erklärt: „Wir sind empört, dass es nun doch so kommt. Die ersten Windräder des Kreises Neuwied werden im Westerwaldkreis stehen." Nachdem sich der Kreis über die Stellungnahme der SGD Nord hinweggesetzt habe, sei sein Rechtsverständnis erschüttert: „Da wird offenbar mit Macht versucht, etwas durchzusetzen." Der Klageweg sei nun vorgezeichnet. Und Schumacher erinnert an die Worte von Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, wonach es dort keine Windräder geben soll, wo Bürger sie nicht wollen: „War das nur eine Sonntagsrede?"
Allerdings ist noch offen, ob der Bescheid des Kreises einer rechtlichen Überprüfung standhält. Das wird sich erweisen, sollten die, die während des Verfahrens Einwände geltend gemacht haben, zu eben diesen Punkten den Rechtsweg über Kreisrechtsausschuss und Verwaltungsgericht beschreiten.
Bürgermeister sind erstaunt
Die Gemeinden Freirachdorf, Roßbach und Mündersbach sind potenzielle Kandidaten. Wie aus Schreiben der Bürgermeister von Hachenburg und Selters an den Kreis Neuwied hervorgeht, behalten sich die genannten Kommunen rechtliche Schritte vor.
Davon abgesehen kam die Genehmigung für Bürgermeister Peter Klöckner (Hachenburg) „sehr überraschend". Die Ablehnung vor gut einem Jahr sei völlig zu recht erfolgt, weil Windräder in der Kuhheck vor allem wegen des Artenschutzes nicht genehmigungsfähig seien. Umso erstaunlicher sei es nun, dass sich der Kreis Neuwied „wider besseres Wissen" über die Stellungnahme der Fachbehörde hinwegsetze. „Das wird unsererseits keinesfalls akzeptiert."
Ähnlich argumentiert Bürgermeister Klaus Müller (Selters). „Es ist für mich daher nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage nun eine Genehmigung erteilt werden soll." Er führt zudem die fehlende interkommunale Abstimmung an.
Rasbach hat mit Ausgang gerechnet
Dierdorf/Westerwaldkreis - Beide Argumente hat Ina Heidelbach vom Kreis ihrer Ansicht nach entkräftet, indem sie auf den neuen Landesentwicklungsplan (LEP) IV samt Bestimmungen zum Artenschutz und die abweichende Verfahrensweise bei einem privilegierten Vorhaben verweist. Der Dierdorfer Bürgermeister Horst Rasbach hat mit dieser Entscheidung gerechnet. Gleichwohl zeigt er Verständnis dafür, dass die nicht überall gut ankommt. Rasbach geht jetzt davon aus, dass der VG-Rat sich erneut dem Flächennutzungsplan „Windkraft" widmet. Zumindest bewege sich mit dem LEP IV vieles in Richtung Rechtskraft. Und die sei für ihn immer ausschlaggebend gewesen.
Rasbach schätzt, dass es mindestens zwei Jahre dauert, bis die Windkraftplanungen der VG ins Endstadium kommen: „Wir müssen viele Flächen prüfen; jetzt, da der Naturpark kein Ausschlusskriterium mehr ist, auch Flächen südlich der A 3." Bis dahin sollte aus seiner Sicht möglichst auch Rechtssicherheit bei der Kuhheck vorherrschen. Die wäre dann als Windpotenzialfläche im Plan auszuweisen.
Die bisher fehlende Windkraftplanung der VG hat den Kreis gezwungen, den Antrag des Investors als privilegiertes Vorhaben zu behandeln. Die BI hatte zuvor mehrmals gefordert, die VG möge ihre Planung vorantreiben. Rasbach räumt ein: „Da ist sicher etwas dran. Allerdings sind wir von den Planungen des Investors zu einem bestimmten Zeitpunkt überholt worden, weil ein Emissionsschutzverfahren schneller läuft als eine Flächennutzungsplanung, bei der viele Flächen zu prüfen sind." Um nicht Geld für eine doppelte Begutachtung auszugeben, habe der Rat damals entschieden, das Ergebnis dieser Planungen für die eigene Windkraftplanung zu übernehmen.
Von unserem Redakteur Ralf Grün