Von unserem Redakteur Frank Blum
Mit der „Elternschule" sollen Väter und Mütter mit Migrationshintergrund derart unterstützt werden, dass sie ihre Kinder im schulischen Alltag besser begleiten können. Denn der Einfluss von Familien auf den Lernerfolg ist laut Diakoniepfarrerin Renate Schäning in der Regel höher als der von Schule und Lehrkräften. In der Deichstadt nehmen drei Grundschulen am Projekt teil, die einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund aufweisen: die Geschwister-Scholl-Schule, die Sonnenlandschule und die Marienschule.
Finanziert wird das Projekt zu 75 Prozent – das sind in diesem Fall 55 000 Euro – aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds. Es handelt sich um eines von nur 40 bundesweit unterstützten Projekten und läuft ein Jahr. Auch das Land will sich an der Förderung beteiligen. Die Experten wissen eines: Schulische Probleme treten bei Kindern von Migranten überwiegend dann auf, wenn die Eltern Niedriglohnempfänger oder von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. „Die Beziehung zwischen Schule und diesem Personenkreis benötigt eine institutionelle Unterstützung, da die Stärkung der elterlichen Ressourcen ein Schlüssel für die Bildungslaufbahn der Kinder ist", ist sich Schäning sicher.
Es sei wichtig, Eltern schon von der ersten Klasse an für ein Engagement an der Schule zu gewinnen. Da sind sich die drei am Pressegespräch beteiligten Schulleiter einig. Bislang gibt es quasi keinen einzigen Klassenelternsprecher mit Migrationshintergrund. Die Leiter führen das zum Großteil auf sprachliche Defizite zurück, aber auch auf starke Zurückhaltung bei allem, was mit Amtlichem oder Behördlichem zu tun hat. Entsprechend intensiv und mit zwölf Themen breit gefächert ist die Schulung, die die künftigen Elternvertreter erhalten, um später als Multiplikatoren an den Bildungseinrichtungen anderen Eltern den Weg in die Teilhabe zu erleichtern. „Da gilt es, Hemmungen abzubauen und über kulturelle Unterschiede selbstkritisch nachzudenken", betont Violetta Borczon, die das Projekt koordiniert.
Tanja Koch, Leiterin der Geschwister-Scholl-Schule, knüpft Hoffnungen an die Elternschule: „Wenn die Eltern ein positives Verhältnis zur Schule entwickeln, dann überträgt sich das auf die Kinder." Joachim Fleischer, Rektor der Sonnenland-Schule, meint: „Man muss die Eltern allerdings direkt ansprechen, ihnen im persönlichen Gespräch die Ängste nehmen." Von bisher positiven Ansätzen berichtet Michaela Burgmayr-Wilm, Rektorin der Marienschule: „Wir haben ein Schülercafé eingerichtet, bei dem auch Migrantenmütter mitwirken. Das schafft einen angenehmen Rahmen."
Verhindern werden soll durch die Elternschule auch das, was Experten oft beobachten: die Umkehr der Autoritätsverhältnisse. Viele Kinder mit Migrationshintergrund erleben laut Borzcon ihre Eltern im Umgang mit Behörden und Lehrern als inkompetent und hilflos. „Doch es darf nicht sein, dass Kinder für ihre Eltern einspringen", betont sie. Noch im zweiten Schulhalbjahr sollen die Interessierten so weit fit gemacht werden, dass sie mit Beginn des kommenden Schuljahrs Elterncafés leiten können, auf denen sie ihr erworbenes Wissen weitergeben können. Diplom-Pädagogin Elisabeth Schmidt, die schon im Hausaufgabenprojekt am Raiffeisenring mitgearbeitet hat, führt das Projekt an den Schulen durch. Dort hat man bereits eine positive Resonanz festgestellt. Die Diakonie wird keine Probleme haben, die vom Finanzier geforderten 20 Eltern zu finden. Im Gegenteil: „Wir überlegen bereits, ob wir eine zweite Schulung anbieten", sagt Schäning.
Das Diakonische Werk verfolgt weiterführende Ziele mit dem Projekt: „Durch die Elternarbeit sollen gegenseitige Achtung und Vertrauen wachsen, Informationen besser ankommen und die Kooperation zwischen Schule und Elternschaft verbessert werden", umreißt die Diakoniepfarrerin das Aufgabenfeld. Zudem sollen sich Schulen bewusst interkulturell öffnen und Formen der Begegnung institutionalisieren. „Wir wollen die Arbeit aber auch über die Schule hinaustragen", sagt Violetta Borczon. „Zum Projekt gehört auch die Intensivierung der Elternnetzwerke durch gemeinsam gefeierte kulturelle Veranstaltungen und Familienmittage in den Wohngebieten der Migranten." Für Sozialamtsleiter Wolfgang Hartmann ist es wichtig, auch in diesem Projekt die Nachhaltigkeit zu sichern. „Das ist ein erster Schritt für die Hilfe zur Selbsthilfe", umreißt er seine Meinung und weißt darauf hin, dass durch die Elternschule Migranten angelernt werden, sich mit den Problemen Gleichgesinnter auseinanderzusetzen und selbst an Lösungen mitzuarbeiten. Und für Borczon steht fest: „Der Weg aus der Parallelgesellschaft führt über Erfolgserlebnisse im direkten Familienumfeld – und dazu gehört auch die Schule."