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Koranschulen: EU greift Eirene-Projekt auf

Neuwied - Der Friedensdienst hat gute Erfahrungen im Niger gemacht:

Von unserem Redakteur
 Frank Blum

Der in Neuwied ansässige Christliche Friedensdienst Eirene unterstützt die Bildung kleiner Kinder in Niger im Zeitraum von 2012 bis 2015 mit rund 112 000 Euro. Soweit so einfach. Komplizierter wird der Sachverhalt, wenn man weiß, dass das Geld in die Ausstattung von Koranschulen fließt. Doch die gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) vorangetriebene interkulturelle Zusammenarbeit funktioniert vor Ort bereits seit 2007 – und offenbar so gut, dass in diesem Jahr gar die EU mit ins Boot gestiegen ist, um das Projekt auszubauen. Sie fördert das Projekt 2014 und 2015 mit insgesamt 480 000 Euro.

Wie kommt es zur funktionierenden Kooperation zwischen Muslimen und Christen in einer gewiss nicht konfliktarmen Region? Maimou Wali, die das Projekt für Eirene seit 2010 betreut, weilt zurzeit in der Deichstadt und erläuterte im Gespräch mit der RZ die Hintergründe. Da ist zum Einen der Staat, der den Aufbau eines flächendeckenden funktionierenden Bildungssystems nicht leisten kann; da sind aber zum anderen auch die strengen hierarchischen Traditionen des westafrikanischen Landes, die dazu führen, dass Eltern ihre Kinder lieber auf eine Koranschule statt in eine staatliche Institution schicken. Die Folge laut Wali: Zwei Drittel der Kinder sind Analphabeten. Denn Mädchen und Jungen, die nur an Koranschulen unterrichtet werden, können zwar den Koran lesen und Suren memorieren, das Gelernte aber nicht im Alltag anwenden, denn Arabisch ist im Niger keine offizielle Sprache.

Ziel Eirenes ist es, Kindern im Grundschulalter Wege zur Bildung zu bauen, sie zu alphabetisieren. Da der Friedensdienst schon seit rund vier Jahrzehnten in Niger tätig ist und entsprechende Kontakte hat, entwickelte er die Idee, mit den Verantwortlichen der Koranschulen zu kooperieren, sie davon zu überzeugen, sich nicht nur der islamischen Lehre zu widmen, sondern ihr Angebot um grundlegende Dinge wie Rechnen, Schreiben und Lesen zu erweitern. „Eirene nutzt das vertraute und von Eltern bejahte Schulsystem, um die Alphabetisierung voranzutreiben", erläutert Wali, nicht ohne auf die inhaltlichen Schwächen der ehrenamtlich betriebenen Koranschulen hinzuweisen. Auch die pädagogischen Methoden seien verbesserbar. Aber: Dort erlernen die Kinder mittlerweile Rechnen und Lesen in ihrer jeweiligen Muttersprache, meist Haussa. Die Vermittlung von Schreibfähigkeit geschieht anhand arabischer Schriftzeichen.

Seit Jahren macht Eirene in der Region um Maradi, dem ökonomischen Zentrum des Landes, damit gute Erfahrungen – und das, obwohl die Region als konservativ gilt. „Polarisierungsgefahr" ist dort durchaus gegeben. Als Friedensdienst will die Neuwieder Organisation aber auch dafür sorgen, dass neben den Grundbildungstechniken an den Koranschulen auch Gewaltprävention vermittelt wird. Wie Wali, selbst Muslima, berichtet, werden Lehrer und Schulleiter auf Fortbildungen in gewaltfreier Kommunikation geschult. Auch die Inhalte der Schulbücher, in denen Geschichten aus dem Alltag thematisiert werden, zielen darauf ab, ein gewaltfreies Miteinander zu predigen. Das Element der Gewaltfreiheit ziehe sich durch das gesamte Konzept, so Wali weiter, und falle auf fruchtbaren Boden. Doch nicht nur das: Mittlerweile gebe es bereits eigene Initiativen, die sich um eine verbesserte Infrastruktur an den Schulen kümmern und dafür sorgen, dass diese Latrinen und Waschgelegenheiten erhalten. Und bessere Schulen weckten weiteres Interesse an Bildung.

Nach Angaben Eirenes hat die Organisation bislang rund 16 000 Kinder, davon etwa 60 Prozent Mädchen, an etwa 80 Koranschulen erreicht. Das BMZ unterstützt das Projekt in den Jahren 2012 bis 2015 zu 75 Prozent, das sind rund 336 000 Euro. Von den Zuschüssen der EU sollen weitere 10 000 Kinder an 50 Schulen profitieren, auch in anderen Teilen des Landes.


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