Von unserem Redakteur Ulf Steffenfauseweh
Selbst wenn man einbezieht, dass solche Neuerungen häufig erst einmal abgelehnt werden und dass gerade im Internet nicht nur schnell und gern geschimpft wird, sondern sich dieses Thema dafür auch noch besonders eignet (Stichwort Geschmack), bleibt unter dem Strich doch festzustellen, dass offensichtlich die Mehrheit der Bürger mit dem neuen Logo sehr wenig anfangen kann.
Fragen, ob das „der Schiss des Neuwieder Pfauen", der „Farbsehtest beim Augenarzt" oder „die Punkte auf Wittmann's Ann ihrer Kittelschürze" sein sollen und ob das Ganze auf dem Sprudelball entworfen worden ist, gehören noch zu den humorvoll-ironischen Repliken. Vielfach ist dagegen einfach großes Unverständnis herauszulesen, vor allem darüber, dass man keinen Bezug zur Stadt erkennt.
Zweiter zentraler Kritikpunkt: Die Bürger durften nicht mitreden, das Logo wurde „übergestülpt". Das kritisiert auch CDU-Fraktionschef Martin Hahn bei Facebook: „Mich ärgert die Art und Weise der Entstehung des ‚Logo'! Kein Ratsmitglied war informiert, das alles war eine einsame Aktion der Stadtverwaltung (Marketing und OB) über die Köpfe des Rates und aller Gremien und der Bürger hinweg!", schreibt er. „Es gab keine Vorlage, keine Entscheidung und Information erst, als alles fertig war! Freihändig vergeben und durch Zufall beim Neujahrskonzert entdeckt! So schafft man keine Identifikation! Dumm gelaufen, schlecht gemacht und unprofessionell gearbeitet!", meint er.
Simon Solbach, Vorsitzender der Jungen Union, schlägt in etwa in die gleiche Kerbe und kritisiert, dass die Entscheidung über das Logo „im stillen Kämmerlein getroffen wurde". „Ein Ideenwettbewerb hätte die Bürger direkt beteiligt und die Identität mit einem neuen Logo und der Stadt insgesamt gestärkt. Dies hätte unterstrichen, dass Neuwied modern und lebendig ist!", schreibt er. Außerdem spricht er davon, dass „die erheblichen Kosten einer Logoänderung versteckt werden, wie dies vor einigen Jahren bei der SWN geschah".
Davon unabhängig sieht er auch die Notwendigkeit, ein moderneres Logo zu erstellen, vermisst aber ein Alleinstellungsmerkmal wie zum Beispiel den Pegelturm.
Harald Wolff, Geschäftsführer der Neuwieder FWG, fehlt ebenfalls der „direkte Wiedererkennungswert". „Punkte = Stadtteile? Auch ohne geografische Anordnung und ohne direkten Größenvergleich? Keine Brücke, kein Pegelturm oder Deichmauer? Wo ist da Neuwied?", fragt er und betont darüber hinaus: „Bürgerbeteiligung geht anders! Eine nette Ausschreibung, ein Wettbewerb in Schulen mit einem kleinen Preis für die Klassenfahrt, darüber könnte man sich freuen, sicherlich auch mit dem ,Ergebnis' des Wettbewerbs", schreibt er.
Offener Brief von Thieleker
Lars Thielker von der Neuwieder Werbeagentur Thielker + Team, die sich ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt, aber nicht den Zuschlag erhalten hatte, hat Oberbürgermeister Nikolaus Roth einen offenen Brief geschrieben. Hier ein Auszug.
„Ich bin nicht gerade überrascht, aber doch enttäuscht, was Sie mit Ihrem Stadtmarketing-Team da entwickelt haben: Das neue Logo ist ebenso austauschbar wie der Slogan. ‚Herzlich willkommen' ist an sich ja auch gar kein Slogan, sondern eine allgemeingültige Begrüßung. Wie sollte daraus eine Positionierung abgeleitet werden, deren Sinn es ist, sich von anderen zu unterscheiden? Und ‚Leben am Rhein' ist da auch nicht besser. Reklame-Bla-bla nenne ich so etwas, denn jeder Autohändler und jeder Ort hat so ein Herzlich willkommen an seinem Eingang stehen und Leben am Rhein findet auf 1000 Kilometer von der Quelle bis zur Mündung statt.
Was soll uns dieses Logo vermitteln? Logos dienen der Wiedererkennung, noch mehr der Identitätsstiftung und der Charakterbildung, dies gilt für Städtemarken ganz besonders. Dazu braucht es eigenständige Attribute und markante grafische Elemente – möglichst solche, die typisch und unverwechselbar für die Marke sind. Neuwied hätte davon reichlich zu bieten. Vom Neuwieder Pfau angefangen über architektonische Highlights, aber auch historisch relevante Elemente, die man kreativ interpretieren könnte. Bei so vielen Möglichkeiten für Einzigartigkeit so mit Anlauf danebenzutreten grenzt schon an Ignoranz. Auf jeden Fall ist es oberflächlich und unprofessionell. [...] Mein Fazit: belanglos, haltlos, austauschbar und deshalb Verschwendung von Steuergeldern. Ich finde, Neuwied hätte etwas Kreativeres verdient. Und einen Anfang hatten wir ja schon gemacht: Eine Baustellen-Kampagne, die Neuwieder zeigt, die stolz auf ihre Stadt sind, die tolle Resonanz bekommen hat. Oder auch die I love-Kampagne der SWN, deren nachhaltige Wirkung Sie als Aufkleber auf Tausenden von Autos sehen können. [...] Eine Identifikation der Bürger mit einem solchen Billig-Tralala-Label werden Sie so schnell nicht erreichen. Stadtmarketing ist eben mehr, als ein buntes Bapperle für das nächste große Fest zu entwerfen. [...] Mein Team und ich sind stinksauer auf Sie und Ihre sogenannten Spezialisten im Stadtmarketing."
Reaktionen bei Facebook
Oliver Grabus: „Wieso schlägt man nicht drei Designs vor und lässt die Neuwieder abstimmen? Ich bin da für mehr Bürgerbeteiligung oder einen Wettbewerb. So hätte hinterher wenigstens niemand sagen können: blöde Politiker, machen alle nur, was sie wollen."
Alex Vogt: „Die halbe Stadt wird umgebaut, und dann so etwas Einfallsloses. Es wäre die Chance da gewesen für eine positive, neue Positionierung. Was soll das sein? Die Vielfalt der Kieselsteine am Rhein? "
Franz-Josef Dehenn: „Es kommt nur Kälte rüber, sonst nichts."
Alexander Soukup: „Es passt überhaupt nicht zu Neuwied, und die neue Internet-Startseite ist nur ein Schock für die Augen. Das Logo wurde wohl auf dem Sprudelball entworfen. [...] In den Neuwieder Kindergärten hätte man wohl ein besseres Bildchen, äh Logo bekommen."
Andreas Wein: „Der Pegelturm, etwas modern stilisiert, eventuell mit angedeuteter Raiffeisenbrücke: Das hätten auch Gäste kapiert. Aber das hier? Ich hör schon die Durchsage: Der Kleine möchte im Bälleparadies abgeholt werden."
Bruno Bauer: „Immer nur meckern? Ich finde es cool und modern. Sorry."
Detlev Reindel: „Die Chance auf Bürgerbeteiligung vertan. Man hätte die Leute im Rahmen der Kommunalwahl über mehrere Vorschläge abstimmen lassen können."
Martin Lenzen: „Ich halte eine Ansammlung verschieden großer und verschieden farbiger Kreise für eine allzu einfache Lösung. Dieses neue ,Erscheinungsbild' ist wirklich so beliebig austauschbar, dass es nichts, aber auch gar nichts Neuwiedisches widerspiegelt. [...] Der Wiedererkennungswert schwindet abgesehen vom Namenszug gegen null!"
Marion Klaassen: „Kein Geld für Jugendarbeit, kein Geld für Fußballplätze, kein Geld für Schulen, aber Geld für ,Punkt-Punkt-Komma-Strich'!! Überflüssig – das ist mein Kommentar zum Logo!"
Frank Juengst: „Mensch, liebe Verantwortliche in der Verwaltung: Das ist doch Bockmist, den ihr gebaut habt, oder?! Mal wieder eine Chance vertan, mit der ganzen Stadt etwas für die Stadt zu tun."