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Vater tötete Tochter und setzt sich als Opfer ins Bild

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Von unserem Redakteur Ulf Steffenfauseweh

Die BILD-Zeitung gibt sich betroffen. „Sommer, Sonne, Sangria – doch nicht für alle sieht das Leben auf der Mallorca so glücklich aus", schreibt das Boulevardblatt und will die Geschichte von drei Betroffenen erzählen. In der Verbandsgemeinde Rengsdorf löst es damit einen Sturm der Betroffenheit und Empörung aus – nur ganz anders als man zunächst denken könnte. Denn einer von denen, die auf die Tränendrüse drücken dürfen, ist Axel L.. „Der Krebs zerstörte sein Glück", heißt es in der gedruckten Ausgabe unter der Überschrift „Ich wollte den Tod meiner Frau und meiner Tochter vergessen".

Und wörtlich weiter: „2000 starb seine Frau an Lungenkrebs. Kurz darauf diagnostizierte der Kinderarzt Leukämie bei der Tochter. Isabell (6) starb im August 2001. L.: ,Ich fühlte mich wie der einsamste Mensch auf Erden.'" Die Wahrheit ist: Axel L. hat seine Tochter selbst getötet, acht Monate, nachdem seine Frau an Krebs gestorben war.

UPDATE: Inzwischen berichtet auch die Bild über die "wahre Geschichte"

Während im Kreis Neuwied eine Suchaktion nach ihm und dem Kind lief, tötete er das Mädchen wenige Tage vor der Einschulung in Lloret de Mar, wo die Familie mehrfach Urlaub gemacht hatte. Vor einem spanischen Gericht gestand er, das Mädchen mit einem Kissen erstickt zu haben. Das Jugendamt war von Großmutter und Nachbarn bereits auf ihn aufmerksam gemacht worden, er sei aber kooperativ gewesen, so die Behörde damals.  Axel L. saß für die Tat jahrelang in Spanien und Deutschland in Haft.

Isabells Halbbruder Patrick Dick (35) aus Straßenhaus ist nun fassungslos über sein Lebenszeichen aus Mallorca: „Ich bin total erschüttert. Ich hatte mit der ganzen Geschichte eigentlich abgeschlossen", sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Und seine Frau Nadine erzählt, dass er seit Erscheinen des Artikels völlig von der Rolle ist, fast nichts mehr isst. Dabei sind die beiden nicht sicher, was sie schlimmer finden: Die Dreistigkeit, mit der sich L. auch vor die Kameras von Bild-TV und RTL („Extra") stellt und „seine Lügen" erzählt, oder die Art, wie die Zeitung reagiert.

Denn Dick hat sich sofort an die Bild-Autorin gewandt und um Richtigstellung gebeten, erzählt er. "Isabell kann sich nicht mehr melden und dagegen wehren. Aber ich kann es." Mehr als eine Woche nach Erscheinen des Artikels ist jedoch nichts geschehen. Das Video ist nach wie vor im Internet zu sehen. Die Autorin hatte auch ein Bild getwittert, das zeigt, wie ein Fotograf Axel L. in Szene setzt:

„Die Bild-Autorin wollte in Ruhe mit uns darüber reden. Dann hat sie sich erst gar nicht gemeldet, dann angerufen, ein paar belanglose Dinge gefragt und nach zwei bis drei Minuten gesagt: Dann werden wir mal schauen, wie wir weiter vorgehen", erzählt Nadine Dick: „Die wollen das unten den Tisch kehren." Ihrem Mann ist es dagegen unheimlich wichtig, „dass das wieder gerade gestellt wird". Denn L. habe, das gibt Dick an, diese Geschichte auch schon während der kurzen Zeit, die er nach seiner Haftentlassung wieder im Kreis Neuwied gelebt hat benutzt. So habe er Frauen mit Kindern kennenlernen wollen.

Davon unabhängig bezeichnet Dick seinen Stiefvater als „verantwortungslosen, total gefühllosen Menschen", der schon damals einen großen Schuldenberg angehäuft und auch ihn bestohlen habe. Fassungslos ist auch Michelle Pfefferkorn (18) aus Rengsdorf, Cousine der vor zwölf Jahren getöteten Isabell. „Es war einfach krass, ihn im Fernsehen zu sehen, wie er da sitz, grinst, keine Reue zeigt und sich als Opfer darstellt, um Mitleid zu erzeugen", sagt sie im Gespräch mit der RZ mit stockender Stimme.

Sie hat daher gemeinsam mit ihrem Vater Michael (Bruder der verstorbenen Frau von Axel L.) einen Brief an Bild und RTL aufgesetzt. Ihn als Opfer darzustellen finden sie und viele Angehörige „unfassbar", schreiben sie darin und fordern eine Richtigstellung. Passiert ist bislang nichts. Auch ein Anruf der RZ bei der Autorin blieb am Montag bislang unbeantwortet. 

Patrick Dick und weitere Mitstreiter aus der Verwandtschaft von Isabell haben zunächst vor allem auf Facebook gesetzt, um die Geschichte öffentlich zu machen. Dort hat Dick den Artikel gepostet und mit deutlichen Worten überschrieben: „Kindermörder erfindet eigene Version!" Mittlerweile ist dieser Eintrag 71-mal geteilt und von zahlreichen Menschen aus unserer Region kommentiert worden. Viele, die angeben, Täter und/oder Opfer aus dem Jahr 2001 persönlich zu kennen, zeigen sich dabei erschüttert und fassungslos. „Nicht zu fassen", „Ich schäme mich, dass ich ihn kenne", „Da bekomm ich Gänsehaut" und „Er war schon immer so" sind nur einige der – druckbaren – Kommentare.


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